Digitalisierung und unsere Zeit
Ein Versprechen der Digitalisierung ist, dass sie uns mehr Zeit für die wichtigen Dinge im Leben lässt – was auch immer das genau ist. Wie Wasch- und Spülmaschinen sollen uns digitale Innovationen von unangenehmen Aktivitäten entlasten. Und wie Eisenbahn, Auto und Flugzeug machen auch digitale Innovationen angenehme Aktivitäten für mehr Menschen zugänglich. Es gibt Zahlen darüber, womit die Menschen in Deutschland heute ihre Zeit verbringen. Mit diesen Zahlen erhalten wir einen ersten Eindruck davon, wo Zeit frei werden könnte und welche Innovationen Breitenwirkung entfalten könnten. Datenbasis ist die Zeitverwendungsstatistik des Statistischen Bundesamtes für die Jahre 2012/13. Ich nutze den Durchschnitt über alle Bevölkerungsgruppen, es werden also Jugendliche, Erwerbstätige und Senioren mit ihren sehr unterschiedlichen Tagesabläufen zusammengefasst.
In zwei großen Bereichen ist es für mich schwer vorstellbar, dass die Digitalisierung eine große Veränderung bewirken wird: Fast 40 Prozent ihrer Zeit verbringen die Deutschen damit zu schlafen, sich zu waschen und anzuziehen. Und weitere 7 Prozent damit zu essen. Auch dort wird geforscht und entwickelt, aber schlafen müssen wir alle.
In drei weiteren Bereichen ist momentan viel in Bewegung. Die Haushaltsführung inklusive der Zubereitung von Mahlzeiten, des Einkaufens und der Reinigung nimmt täglich knapp drei Stunden in Anspruch. Da gibt es erhebliches Potential für Roboter, vernetzte Küchen, Online-Angebote etc. In der Erwerbsarbeit, mit der die Deutschen im großen Durchschnitt knapp zweieinhalb Stunden täglich verbringen, ist zumindest die Debatte über Vor- und Nachteile digitaler Angebote schon sehr präsent. Gleiches gilt für die Wegezeiten, wo autonomes Fahren überall diskutiert wird: Auf dem Weg von und zu Arbeit, Schule, Geschäften, Freunden usw. verbringen die Deutschen im Durchschnitt etwa eine Stunde pro Tag.
In der Mediennutzung und der Unterhaltung ist der Wandel zu digitalen Angeboten schon weit vorangeschritten. Im Jahr 2012/13 verbrachten die Deutschen im Schnitt mehr als zwei Stunden pro Tag vor dem Fernseher. Weitere 23 Minuten vor dem Computer oder dem Smartphone. Dort hat sich die Landschaft der Anbieter (Bsp. Netflix) und vermutlich die Nutzungsdauer in den letzten Jahren deutlich verändert.
Immer weniger Zeit verbringen die Deutschen mit Tätigkeiten, die einen engen statistischen Zusammenhang zur Lebenszufriedenheit aufweisen. Für soziale Kontakte, Lesen, Bildung, Sport und Ehrenamt blieb im Jahr 2012/13 mit zusammen zwei Stunden und zwanzig Minuten insgesamt 20 Minuten weniger Zeit als zehn Jahre zuvor. Falls das die „wirklich wichtigen Dinge im Leben“ sein sollten, dann ging der Weg in diesen zehn Jahren in die falsche Richtung.
Im Dialogprozess „Gut leben digital“ wird diskutiert und erforscht, wo die Digitalisierung bereits heute positive Auswirkungen auf die Lebensqualität der Menschen hat oder diese in Zukunft haben sollte. Die Zeitverwendungsstatistik gibt uns einen Eindruck von den zeitlichen Größenordnungen verschiedener Aktivitäten. Sie allein bilden aber nicht alle Aspekte von Lebensqualität ab, wie unsere 10 Themenfelder zeigen. Dort geht es auch um Sicherheit, Vertrauen, Lebenserwartung und andere Punkte. Und es geht um Geld, wovon einer der nächsten Blogbeiträge handeln wird.
Der Kern von #gutlebendigital
Der Mensch muss im Mittelpunkt der Digitalisierung stehen, die Technik also dem Menschen dienen. Zu oft bleibt aber offen, was das konkret bedeutet.
Soziologie der Digitalisierung
Im Buch „4.0 oder die Lücke die der Rechner lässt“ des Soziologen Dirk Baecker finden sich viele Bezüge zu den Ergebnissen aus #gutlebendigital