Soziologie der Digitalisierung
Im Dialogprozess #gutlebendigital wurden Bilder wünschenswerter Zukünfte herausgearbeitet, in denen die Digitalisierung für mehr Lebensqualität der Menschen eingesetzt wird. Diese Zukunftsbilder sollen für viele Menschen attraktiv sein, egal ob sie lediglich Nutzer sind, sich als Netzaktivisten engagieren, Politik machen, oder Mitarbeiter von Großunternehmen oder Interessensverbänden sind. Deshalb haben wir in der ersten Dialogphase versucht, so viele Perspektiven wie möglich aufzunehmen. Und deshalb stellen wir die Zwischenergebnisse in der laufenden zweiten Dialogphase breit zur Diskussion und überarbeiten sie danach.
Zudem gleichen wir die Zukunftsbilder mit Studien und Büchern ab, die sich ebenfalls mit der Schnittstelle von Lebensqualität und Digitalisierung beschäftigen. Im deutschsprachigen Raumist dafür das Buch „4.0 oder die Lücke die der Rechner lässt“ des Soziologen Dirk Baecker besonders hilfreich. Er hatte bereits 2007 in seinen „Studien zur nächsten Gesellschaft“ herausgearbeitet, wie nach Sprache, Schrift und Buchdruck nun der Computer die Gesellschaft verändert. In seinem 2018er Buch finden sich viele Bezüge zu den Ergebnissen aus #gutlebendigital, die wir mit konkreten Handlungsempfehlungen und Projekten ergänzen können. Vier Beispiele:
Passend zu unserem Auswertungsfeld „Ich: Das Individuum im digitalen Zeitalter“ thematisiert Baecker die Überforderung und Ratlosigkeit der Menschen. Er setzt auf Werte wie Privatheit, Datenschutz und Sicherheit, und auf einen „Abstand vom eigenen Handlungsdrang wie auch von den sozialen und technischen Verführungen der Umgebung“ (Seite 213). Aber woher nehmen die Menschen diese Souveränität? Plattformen wie Medien Sicher fördern den „Durchblick im digitalen Leben“.
Eine wichtige Rolle kommt also der Bildung – Baecker verwendet „Erziehung“ – zu: „sie diszipliniert und sie bereitet vor auf die Faszinationen und Zumutungen der Welt“ (Seite 151). Zusätzlich zu den fachlichen und sozialen Kompetenzen benötigen die Individuen nun die „Kompetenz der Selbstselektion“, um die Entscheidungsfähigkeit in komplexen Systemen wiederzugewinnen. In #gutlebendigital heißt es passend: Die Individuen „können aus Daten und Informationen das Wissen und die Weisheit ableiten, die ihnen ein selbstbestimmtes, gelingendes Leben erleichtern.“ Die Digitalen Helden sind ein Beispiel, das hilft „digitale Kommunikation bewusst und kompetent zu nutzen“.
Auch zu „Gesundheit“ finden sich bei Baecker Aussagen, die zu #gutlebendigital passen: „Aus Ärzten und Patienten werden Datenproduzenten, die sich gemeinsam über die Protokolle beugen, die die Maschinen aus diesen Daten gewinnen.“ Die Menschen bekommen bei Baecker eine größere Verantwortung für ihre Zukunft, ähnlich wie es in der Vision aus #gutlebendigital beschrieben ist. Die Informationsplattform Healthon scheint gut zu passen.
Die Politik bleibt in der nächsten Gesellschaft Kommunikation, an der die Bevölkerung beteiligt ist (Seite 97). Nun erfolgt diese Kommunikation auch über die neuen Medien. Baecker sieht die Versuchung, der zunehmenden Komplexität und Unbestimmtheit in Richtung Autokratie oder Technokratie auszuweichen. Aber nur die Demokratie kontrolliert „den Einschluss der Ausgeschlossenen“ (Seite 105). Gemeinschaft bilden dann „diejenigen, die einen verwandten Bezug zur Zukunft pflegen“. Hier finden wir uns mit dem Zukunftsprozess #gutlebendigital wieder und viele Bezüge zu den Zukunftsbildern aus „Zusammenleben“ und „Politik & Verwaltung“. Vermutlich können auch Initiativen wie Liquid Democracy oder das Open Government Netzwerk wichtige Beiträge zur Weiterentwicklung der Demokratie leisten
Die Digitalisierung definiert Baecker übrigens als „die Erarbeitung und Erprobung abzählbarer und berechenbarer Daten im Medium analoger Widersprüchlichkeit für die Zwecke der Kommunikation von und mit Maschinen.“ (Seite 59) Die „Lücke“ im Titel des Buches benennt den Zwischenraum zwischen dem Ort der Eingabe von Informationen und dem der Ausgabe: Was geschieht in diesem „Raum der auseinandergezogenen Information?“ (Seite 19)
Foto: David Vasicek, pix123.de
Die vier
Kernaussagen
Sozialkreditsystem für Lebensqualität
Die Chinesen erhoffen sich vom entstehenden Sozialkreditsystem mehr Vertrauen und mehr Lebensqualität. Europa hat andere Wege gefunden.
Vertrauen im digitalen Zeitalter
Das Vertrauen der Menschen in klassische und neue Medien unterscheidet sich stark – auch zwischen den Ländern. Deutschland hat erheblichen Handlungsbedarf.